Sergi - Canan Dağdelen: Augen-Blicke, Museum Liaunig /Suha
Liebe Freunde,
Mit großer Freude will ich mitteilen, dass zwei Arbeiten von mir in der Ausstellung "Augen-Blicke" im Museum Liaunig /Suha derzeit präsentiert sind. Diese Hauptausstellung legt den Schwerpunkt auf Neuerwerbungen aus der Sammlung österreichischer Kunst ab 1945. Außerdem sind im Museum Liaunig, neben der Sonderausstellung des Künstlers Drago J. Prelog, die besonderen historischen Sammlungen und der neue Skulpturenpark - Traum aller Künstler - zu bewundern.
Für weitere Infos: http://www.museumliaunig.at/
Canan Dağdelen (SG 80)
über die Arbeit Reflection für das Museum Liaunig / Neuhaus
„In spezifischer Hinsicht ist die Kunst von Canan Dagdelen Kulturarbeit. Die Künstlerin bewegt sich zwischen zwei Kulturen, der orientalischen und der abendländischen, und es gelingt ihr – im Sinne einer Synthese – ihre Kunst in dieses Spannungsfeld zu integrieren. Wer Werken von Canan Dagdelen zum ersten Mal begegnet, ist fasziniert von der Vielseitigkeit ihres Oeuvres, das von der Bildfläche ausgeht und in den Raum hinein wandert...
Vielleicht ist es für eine Grenzgängerin zwischen den Kulturen wie Canan Dagdelen gar nicht anders möglich, als primär mit dem Raum zu arbeiten. Eine Beschränkung auf die Illusionsfähigkeit der Fläche würde ihren Gedanken, ihrem künstlerischen Ansatz zu schnell ein Ende setzen. Der Raum öffnet sich, er wird Realität, nämlich in dem Maße wie man in ihn eindringt. Canan Dagdelen beherrscht diesen Raum.“ Dr. Tayfun Belgin
Canan Dagdelen beschäftigt sich intensiv mit der Architektur. Als Künstlerin gilt ihre Vorliebe dabei besonders der islamischen Architektur Vorderasiens. In ihrer Arbeit benützt sie gerne diese Formensprache und überträgt sie spielerisch auf andere Ebenen. In der Interpretation gelingt ihr oft in spannungsreicher Dialektik eine soziologische Betrachtung des Raumbegriffes in Bezug auf die kulturspezifischen Elemente ihrer Herkunft.
Der Ausgangspunkt ihrer aktuellen Arbeiten ist die Doppelstruktur des türkischen Bades Roxelana / Hürrem Sultan Hamamı, gebaut vom Architekten Sinan im 16. Jhdt. Dagdelen fühlt sich vom Grundrissplan dieses Gebäudes angesprochen: Als erstes Doppelbad für Frauen und Männer ist es mit identen Bauformen symmetrisch auf einer Achse geplant, wobei sich die warmen Räume mit jeweils achteckigem Grundriss nebeneinander im Zentrum, und die kalten Bereiche an den äußeren Seiten befinden.
Auch von Wiederholung und Rhythmus sowie Ausgewogenheit der Elemente dieses Bauwerkes angeregt, realisiert die Künstlerin die Installation mit dem Titel „Reflection“. Die Arbeit ist raumgreifend und fällt mit ihrer Komplexität direkt auf. In erster Linie ist sie für den Betrachter ein kontemplativer poetischer Raum mit Bezug auf die wichtigsten Bereiche jenes Doppelhammams, nämlich die Baderäume. Diese Doppelinstallation ist aus unzähligen Porzellankugeln, erneut mit dem Leitmotiv der Künstlerin, konstruiert. Somit sind diese Bauteile wiederum in ihre kleinsten Einheiten, in Punkte, analytisch aufgelöst.
Zwischen Virtuellem und Wirklichem bewahren diese transparenten Skulpturen ihre eigenständige kosmische Poesie. Darüber hinaus entsteht hier durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte noch eine zusätzliche Ebene, von der aus sie Beständigkeit sowie Veränderlichkeit in die Raum- und Zeitkoordinaten reflektiert und deutet.
Für Dagdelen ist die Positionierung einer Installation im Raum ein wichtiges Anliegen.
Bei Reflection werden zwei idente architektonische Formen, jeweils mit achteckigem Grundriss und mit Kuppel, in zwei unterschiedlichen Farben horizontal verdreht und schwebend im Raum platziert. Zudem hängt das eine Gebilde - um vierzig Grad verschoben - höher und bewusst spiegelverkehrt. Die Künstlerin fixiert diesmal die Doppelinstallation an zwei Punkten, wobei jedes feine Stahlseil einzeln oben an der Decke und zugleich unten am Boden befestigt ist. Dadurch wird die Besonderheit dieser Installation, nämlich die Doppelstruktur, sowohl formal als auch inhaltlich hervorgehoben. Außerdem gibt die geringe Distanz zwischen den beiden Konstruktionen der gesamten Arbeit eine zusätzliche Spannung.
In der Arbeit Reflection setzt sich Dagdelen, ausgehend von der Architektur eines historischen Bauwerkes, vor allem mit dem Begriff Polarität auseinander. Sie deutet auf ein Widerspiel der gegensätzlichen und doch nebeneinander existierenden Sinndeutungen, welche den Betrachter jedoch darin immer wieder an die mögliche Wahrscheinlichkeit einer Selbstprojektion erinnern werden.
„Öfters denke ich daran, dass das Leben ein feiner Balanceakt unzähliger Kräfte sei, zwischen Himmel und Erde, wie bei Reflection. C.D.“
Canan Dagdelen, April 2016 Wien